– Ein Bericht von Dustin Möller –

Die Landesligasaison 2014/2015 des Schachverbandes Schleswig-Holstein fand am vergangenen Sonntag ihr Ende. Um die Ausgangssituation kurz zu rekapitulieren, muss sich der Leser zunächst den nahezu verrückten vorletzten Spieltag ins Gedächtnis rufen, an dem unsere 1. Mannschaft den am Sonntag zum Meister der Landesliga gekrönten Lübecker SV III schlug und somit in der letzten Runde einen Punkt zum sicheren Klassenerhalt oder gar zwei Punkte und die Aussicht auf Rang 4 in Sichtweite hatte. Die Reise ging zum Tabellenletzten aus Segeberg, der bereits vor diesem Spieltag als Absteiger feststand. Nichtsdestotrotz war bereits vor Anpfiff der Partien zu merken, dass man auf Segeberger Seite einen würdigen Abschied aus der Landesliga nehmen wollte.

Dass unser Gegner trotz seiner bisherigen Saison ein durchaus ernstzunehmender Gegner war, ließ sich früh im Match erkennen. Keine Mannschaft konnte früh in Führung gehen, denn beide Seiten vermieden „Patzer“, Flüchtigkeitsfehler oder ungenaue Eröffnungsbehandlungen.

Matthias Braun an Brett 6 hatte als erster Feierabend. Ohnehin mit den schwarzen Steinen spielend, musste er sich zusätzlich noch mit Zahnschmerzen erster Güte abkämpfen. Es ist Matthias somit überhaupt nicht vorzuwerfen, dass er seine hervorragende Saison mit einem frühzeitigem Remis beendet hat (½:½).

Die nächste Partie fand ihr Ende an Brett 7 von Christian Devic. Nach ruhigem Spielaufbau mit Weiß im Damengambit dominierte Devic die Position durch aktive Figuren, wie es in dieser Eröffnung üblich ist. Doch ist es in einer derartigen Struktur schwer, konkret auf Sieg zu spielen. Und wenn Weiß alle Brücken hinter sich abbricht und angreift, lässt es sich auch schnell verlieren. So leider aus unserer Sicht auch an diesem Tage. Christian übersah eine mehrzügige Zugfolge, die ihn leider eine Leichtfigur kostete (½:1½).

Etwas zu bequem begann der Tag für Dustin Möller, nachdem er sich (unfreiwillig) dazu entschieden hatte, bis 08:49 zu schlafen, anstatt wie abgemacht um 08:43 in Felde auf die Fahrgemeinschaft zu warten. Glücklicherweise reagierte Onkel Rolf in Windeseile und alle kamen rechtzeitig zum Spielbeginn. In seiner Partie legte Dustin früh jegliche Müdigkeit ab und versuchte alles, um den unambitionierten und zurückhaltenden Aufbau seines Kontrahenten aus den Angeln zu heben. Dabei übernahm sich der 22-jährige im jugendlichen Übermut und geriet in eine derartig unbequeme Stellung, dass Teamkollegen Ruiz-Hampel und Braun bereits Wetten abschlossen, ob Dustin die darniederliegende Stellung überleben könne oder nicht. Matthias sollte recht behalten, er tippte auf eine Punkteteilung (1:2).

Bereits einige Zeit zuvor bahnte sich ein wichtiger Sieg für uns an. Unser Altmeister Edmund Lomer hatte rechtzeitig zum Ligaendspurt die eigene Form wiedergefunden und entscheidend zum Sieg gegen Lübeck in Runde 8 beigetragen. Dass auf ihn Verlass ist, wenn es darauf ankommt, bewies Edmund auch an diesem Tage. Er spielte eine souveräne und technisch saubere Partie, in der er den Vorteil des Läuferpaares – unter anderem mit einem temporären Bauernopfer – sukzessive ausbaute und seinen Gegner nach Strich und Faden dominierte (2:2).

Bei noch vier verbliebenen Partien lag das primäre Augenmerk bei einem solch engen Ergebnis natürlich vorerst auf Klassenerhalt, sprich ein 4:4 nicht zu gefährden. Nach knapper Analyse der noch offenen Spiele entschied sich unser Mannschaftsführer Rolf Möller, trotz besserer Stellung mannschaftsdienlich kein weiteres Risiko einzugehen und die Punkte zu teilen. Hätte er geahnt, wie eindeutig die anderen Partien verlaufen würden, hätte Rolf mit Sicherheit gerne die Chance genutzt, um sein Saisonergebnis mit einem Sieg abzurunden – So aber 2½:2 ½.

Das große Aufatmen brachte Manfred Homuth mit einer weiteren Glanzvorstellung an Brett 1. Von Beginn an hatte er die Initiative. Wie es sein Stil ist, baute Manfred seinen Vorteil, der in der aktiven Positionierung seiner Figuren sowie der Bauernwalze e4, f4, g4 bestand, nach und nach aus und erdrückte den Gegner förmlich mit seinen Drohungen. Dieser fand kein Mittel gegen die anrollenden Bauern und gab sich geschlagen (3½:2 ½).

Das erste große Aufatmen! Zu diesem Zeitpunkt war im Anbetracht der Stellungen von Enrique und Eduard bereits offenkundig, dass der Klassenerhalt geschafft war. Enrique Ruiz-Hampel lehnte während der Partie mehrmals das Remisgesuch seines Gegners ab.

Eine Erinnerung an 1972

Gegen eine Russische Eröffnung kam Enrique zunächst nicht allzu gut aus der Eröffnung herau, hielt die Partie aber immer soweit offen, dass seinem Gegner Raum für Fehler geboten war. Nachdem er bereits vorher eine gewisse Ungenauigkeit begang, entschied sich Enriques Kontrahent etwas unfreiwillig für den Verlust der Partie im Stile Bobby Fischers. Dieser verlor mit demselben Motiv in einem nicht weniger wichtigem Spiel beim Weltmeisterschaftsauftakt 1972 gegen Boris Spasski. Auch hier sperrte Spasski den Läufer mit dem Bauernzug g3 ab und gewann die Partie. Ebenso gewann auch Enrique, der den Sieg ohne Mühe in den sicheren Hafen brachte (4½:2½).

Als Letzter beendete Eduard Wiederkehr seine Partie, der nunmehr zum sechsten Mal in dieser Saison als Ersatzspieler in der ersten Mannschaft aushalf. An diesem Tage war für beide Seiten nie wirklich mehr als ein Remis drinnen (5:3).

Der Klassenerhalt war damit gesichert! Ab zur Abschlussfeier in die örtliche Pizzeria! Nun hieß es, auf die restlichen Ergebnisse zu warten, um zu sehen, welcher Platz es endgültig geworden ist. Nach ausgiebiger Diskussion über die nun doch lange Saison trudelten nach und nach die Ergebnisse der anderen Landesligamannschaften ein. Der zweite Absteiger war mit dem Verlust von Elmshorn früh gefunden. Warum man mitten im Abstiegskampf bei einer realistischen Klassenerhaltschance allerdings auf die ersten beiden Bretter verzichtet hat, muss man sich doch wahrlich fragen. Elmshorn verlor mit 3½:4 ½ – ein Ergebnis, das mit zwei Stammspielern mehr schnell zu einem Sieg und somit zum Klassenerhalt hätte umschlagen können, unbegreiflich!

Spannend war es nicht nur im Abstiegskampf, sondern besonders im oberen Tabellendrittel. Vier Mannschaften hatten theoretische Aufstiegschancen: Lübeck, Bargteheide, Doppelbauer und die Kieler SG, allerdings nur bei Zweien waren sie realistisch. Da Lübecks erste Mannschaft in die Oberliga absteigen wird, ist kein Platz für eine weitere aus der Hansestadt, sodass man aus Lübecker Sicht zwar auf den Meistertitel, aber nicht auf Aufstieg spielen konnte. Auch die Chancen der Kieler SG waren verschwindend gering, es handelte sich also um einen Zweikampf von Bargteheide und Doppelbauer. Dabei hatte Doppelbauer die klar bessere Ausgangslage: Dank deutlich besserer Brettpunkte musste man „nur“ gegen die KSG gewinnen und der Aufstieg wäre gesichert. Dass in dieser Saison aber gegen keinen Gegner irgendetwas leicht mitzunehmen ist, erwies sich auch dieses Mal wieder. Doppelbauer zeigte wie in der Vorrunde Lübeck und Bargteheide entscheidend Nerven im Endspurt und kam gegen die KSG nicht über ein 4:4 hinaus. Bargteheide rang die zweite Mannschaft von Lübeck um Haaresbreite nieder, sodass der Aufsteiger in die Oberliga dieses Jahr aus Bargteheide kommt. Die 3. Lübecker Mannschaft konnte sich dank einem Sieg in der Schlussrunde, wie eingangs erwähnt, den Meistertitel mit einem Brettpunkt Vorsprung sichern.

Glückwunsch an dieser Stelle an beide Mannschaften, wahrlich verdient!

Für uns sollte es unterm Strich der grandiose Platz Nummer 5 werden. Ein Ergebnis, das unser Klub in seiner Geschichte noch nie erreicht hat! Als klarer Underdog und Abstiegskandidat gehandelt, ist es einer dieser typischen David-gegen-Goliath-Geschichten, in denen nicht nur einer, sondern die gesamte Mannschaft über sich hinauswuchs. Als Stichflamme all dessen ist sicherlich der erste Spieltag gegen Elmshorn zu nennen. Hier wurden nicht nur entscheidende Mannschaftspunkte gewonnen, sondern es wurde auch die grundlegende Motivation für den Rest der Saison geschöpft. Die rege Teilnahme an den montäglichen Vorbereitungen und Nachbereitungen ist ein gutes Beispiel dafür.

Jeder wuchs an einer Stelle über sich hinaus. Wir dürfen uns an die Heldentaten von Christian, Matthias, Eduard und Manfred im Wettkampf gegen Lübeck II erinnern, in dem wir 0:4 hinten lagen und die Jungs das Unmögliche zum 4:4 möglich gemacht haben. Wir dürfen auf Dustins grandiose Vorbereitung im Sieg gegen Alexander Petri zurückblicken; Ralf schaffte es, gegen seinen 300 DWZ-Punkte stärkeren Kontrahenten Remis zu halten; Eduard und Rolf riefen gegen die KSG ihre stärkste Saisonleistung ab und sicherten uns die vielleicht entscheidenden zwei Mannschaftspunkte vorm Endspurt als Puffer vor den Abstiegsrängen. Enrique und Edmund brillierten nach zwischenzeitigem Formtief gegen Lübeck gerade zum rechten Zeitpunkt in Runde 8 in einem Spiel, das bei anderem Ausgang für uns einen Abstiegsrang bedeutet hätte. Und nicht zuletzt am vergangenen Sonntag, an dem abermals Edmund und auch Manfred wichtige Siege auf dem Weg zum letzten Sieg in dieser Saison beisteuerten.

Jeder von Euch, von Uns, hat in dieser Saison seinen Anteil an diesem kleinen großen Wunder gehabt und ich bin mir sicher, wenn Kai nächstes Jahr wieder gesund und munter dabei ist, steuert er gerne noch 1-2 Punkte mehr dazu und wer weiß schon, was dann mit dieser Mannschaft möglich ist! – Und zum Genießen jetzt noch die offizielle Abschlusstabelle: