In dieser Stellung nach dem 29. Zug von Weiß stand Dustin Möller in der 3. Runde der Vereinsmeisterschaft mit Schwarz gegen mich wohl auf Gewinn. Nachdem ich sein Remisangebot im 16. Zug abgelehnt hatte, brannte er seine Figuren in meinen Königsflügel, bis ich zeitweise zwei Figuren weniger hatte. Ich hatte seinen Angriff völlig unterschätzt. Nur mit Mühe konnte ich wenigstens die Figuren retten.

Dustin hatte zuletzt den Bb2 genommen und Weiß mit Tf1 nachfolgend den bösen Zug Sf4 verhindert, der noch den Bg2 gekostet hätte. Jetzt entschied sich Dustin mit 29. … K:g7 für die richtige Fortsetzung, weil sonst mit 30. Sh5 die Stellung gekippt wäre. Der weiße Turm hätte sonst entweder über f3 nach g3 wandern und Sf6 ermöglichen können. Oder gar über f6 und h6 auf Matt spielen können. Wenn Galaxien auf- und untergehen, was sind da schon Mehrbauern!

Es folgte das Bauernopfer 30. d5 – um die Figuren zu aktivieren. Diesen Zug hatte Dustin übersehen, er kam aber eh zwangsläufig, weil ich sonst nicht mal Initiative für den ersten Minusbauern und die löchrige Bauernstruktur gehabt hätte. Die Partie nahm dann folgenden Verlauf:

  1. … – e:d5 31. Sf5+ – Kf8 32. Sd6 – Se5 33. Td1 – Sc4 34. T:d5 – T:g2+

Die Springergabel Se3+ hatte ich zuvor völlig übersehen. Dustin ging davon aus, mit nun zwei Mehrbauern locker gewinnen zu können, zumal mein König weit weg vom Geschehen war. Der aber war schnell, „my running king“, der um mein Leben lief!

  1. K:g2 – Se3+ 36. Kf3 – S:d5 37. Sc8 – a5 38. Ke4 – Sf6+ 39. Ke5 – Sd7+ 40. Kd6 – Ke8 41. Kc7

Hoppla, in sieben Zügen hat der weiße König das gesamte Spielfeld überquert und den schwarzen König weggeklemmt. Vielleicht hatte Dustin sich nicht aktiv genug verhalten. Aber der weiße König trieb letztlich den schwarzen Springer (statt umgekehrt) vor sich her, der den Bb6 retten wollte. Dustin dachte jetzt lange nach und zog 41. … f6 mit Remisangebot, weil er erkannte, dass ich mit meinem Springer ständig Schachs um seinen König geben könnte, der wiederum an den eigenen Springer gebunden sei. Ich nahm sofort an. Bei der Analyse stellte ich klar, dass ich zunächst 42. a4 gespielt hätte, um die schwarzen Bauern am Damenflügel festzunageln. Danach wäre grundsätzlich ein Remis in Reichweite, auch wenn der Ausgang unklar war, sobald Dustin den Bb6 aufgeben würde.

Meine Remisaussichten konnte nur einer widerlegen: Eduard Wiederkehr, der beste Endspielkünstler unseres Vereins. Ich betone „Künstler“! Für ihn war völlig klar, dass statt 41. … f6 mit 41. … a4 für Schwarz eine Gewinnstellung zu erreichen gewesen wäre. Plötzlich hätte ich meine Idealstellung aufgeben müssen – negativer Zugzwang. Nähme ich nun Bb6 weg, käme es zu einem Bauernendspiel, in dem der schwarze f-Bauer um einen Zug zu weit vom weißen König entfernt wäre. „My running king“ hätte dann nicht mehr genügend Kondition, um gleichzeitig diagonal zurückzulaufen und den Ba3 zudem vor dem schwarzen König zu schützen.

Dustin Möller hat diesen Bericht ergänzt: Hinzuzufügen ist wohl, dass selbst 41. a4 ziemlich forciert zum Remis führt, der PC schlägt ganze -0,4 aus, was das Remis wohl rechtfertigt. – Die Siegchance war hingegen, statt 33. … Sc4 33. … Sg4 zu spielen. Durch die fortwährende Mattdrohung auf der Grundlinie ist der weiße Turm dort festgenagelt und ich kann mir ohne weiteres den a-Bauern einsacken und folglich die Stellung mit den beiden verbundenen Damenflügelbauern für mich entscheiden. So schafft man es glorreich, eine Stellung mit der Bewertung -3 in -0,4 zu vermurksen