– ein Bericht von Claus Langmann –

Eigentlich wollte ich im November zu einem Turnier in Alkersum auf der schönen Insel Föhr. Aber dieses Turnier wurde abgesagt und so suchte ich nach einem Ersatz. Bei meinen Recherchen fiel mir eine andere Insel auf: Malta. Wärme und Sonne garantiert, aber zunächst schreckten mich die vermutlich doch wohl deutlich höheren Kosten. Aber da hatte ich mich geirrt: Hin- und Rückflug – überwiegend mit Lufthansa – war für 206 € zu haben und Übernachtung und Frühstück im 4-Sterne-Hotel des Spiellokals schlug mit nur 20,75 € zu Buche (allerdings hat das Hotel seine vier Sterne nicht verdient). Summa summarum kam die Reise somit nicht viel teurer als der ursprünglich geplante Ausflug nach Föhr.

Die Flieger brachten mich am 19. November über Zürich nach Malta, ein Bus dann spät abends nahezu vor die Tür meines Hotels Topaz in Bugibba. Am nächsten Morgen hatte ich reichlich Zeit, um mir vor Turnierbeginn meine nähere Umgebung an der Nordküste von Malta anzusehen. Das allerdings geriet zum Schock: Die Küste war völlig verbaut, die Häuser ohne erkennbare Architektur und dicht an dicht. Dieser Eindruck änderte sich an späteren Tagen leider nicht. In der Hauptstadt Valletta und Umgebung herrscht ein ungebrochener Bauboom. Das produziert Bausünden – stillose Hochhäuser bis zu 20 Stockwerken – und führt auch dazu, dass etwa 30.000 leere Wohnungen ihre Käufer oder Mieter suchen. Etwa 3 Millionen Touristen – ganz überwiegend aus England – müssen auf dieser kleinen Insel (mit 316 qkm kleiner als Bremen!) jährlich untergebracht werden, bei einer Einwohnerzahl von wenig mehr als 400.000 sind Missstände vorhersehbar.

Zu dem Turnier hatten sich 124 Spieler aus 22 Nationen eingefunden, davon 7 Großmeister und 13 Internationale Meister. Ich war an Platz 65 gesetzt und versuchte nun in den folgenden Tagen, mein mir selbst gesetztes 50%-Soll zu erfüllen. Wie die Auslosung so will, musste – oder besser durfte ich in den folgenden neun Partien fünf Mal gegen Spieler aus Malta spielen, ich hatte sozusagen gegen die maltesische Nationalmannschaft anzutreten. Zwei dieser Spieler waren allerdings anderer, nämlich belgischer und deutscher Nationalität. Sie waren durch ihre Berufe auf Malta gelandet und wurden dort Mitglieder des einzigen Schachklubs von Malta mit etwa 60 bis 70 Spielern. Am Ende konnte ich mich darüber freuen, dass ich gegen die maltesische Übermacht mit 50% der Punkte bestehen konnte, nur gegen ihren Spitzenspieler Colin Pace (ELO 2152) zog ich den Kürzeren.

In der 6. Runde erlebte ich ein wunderbares Beispiel maltesischer Schauspielkunst. In der nebenstehenden Stellung zog mein Gegner zuletzt 26. Df3-e2 und kaum hatte er seine Dame losgelassen, zog über sein Gesicht ein Ausdruck erschreckten, gleichwohl versteckten Entsetzens. Er wollte mich dadurch zur Gabel 26. … d3 verführen, die allerdings mit 27. T:d3 L:b2 28. De3 unnötige Komplikationen produziert hätte. Ich durchschaute die böse Absicht, zog 26. … Dd5 und empfing ihn, als er ans Brett zurückkehrte, mit den Worten: „You are an excellent actor“. Die Partie verdarb ich allerdings später doch noch zum Remis.

Am letzten Spieltag waren zwei Partien angesetzt und ich erschien „pünktlich“ um 10 vor 10 im Spielsaal und – erstarrte. Vor mir saßen 123 Spieler an ihren Brettern und grübelten über ihre Züge! Ich hatte es nicht mitbekommen, dass der Spielbeginn an diesem Tag um eine Stunde vorverlegt war. Nach den Regeln – 30 Minuten Karenzzeit waren festgelegt – hatte ich verloren. Mein maltesischer Gegner Ron Sammut erklärte sich gleichwohl bereit zu spielen und so begann ich dann meine Partie mit einer um 50 Minuten verkürzten Bedenkzeit. Fortwährend bewegte mich nun der Gedanke, dass ich gegen einen derart fairen Gegner unmöglich auf Sieg spielen könne. Dann fiel mir eine Lösung ein: In einer schon etwas besser stehenden Stellung um den 15. Zug herum bot ich ihm remis an. Als er das ablehnte, fühlte ich mich befreit, auf Gewinn zu spielen, was mir schließlich auch gelang. Ich hatte damit meine gewünschten 50% erreicht und verabschiedete meinen Gegner mit den Worten: „You are a gentleman!“. – Ich war nicht allzu traurig, als ich in der letzten Runde gegen einen Moskowiter verlor. Das ergab Platz 75.

Das faire Verhalten meines Gegners bewog mich, beim Schiedsrichter und beim Veranstalter vorstellig zu werden und anzuregen, meinen Gegner durch einen Sonderpreis zu ehren. Der Vorschlag wurde einhellig begrüßt – aber bei der am selben Tag stattfindenden Siegerehrung leider vergessen.

Den Sieger muss ich natürlich auch noch benennen: Mit 7½ Punkten siegte GM Stellan Brynell aus Schweden vor weiteren sechs Titelträgern mit 7 Punkten.

Sogar beim Rückflug von München nach Hamburg hatte ich noch schachliche Erlebnisse. Als Lektüre genoss ich das Zeit-Magazin und stieß dort auf die nebenstehende Aufgabe: Weiß zieht und hält remis. Nicht schwer, aber überraschend und amüsant. Ein gutes Ende meiner Inselreise. 

Lomer und Geruschkat als „Weltmeister“

Am vergangenen Montag waren Edmund Lomer und Bruno Geruschkat auf der Bühne des „Carls Showpalastes“ zu bewundern. Aber auch für dieses einmalige Erlebnis gibt es einen guten Grund: Die Heimatgemeinschaft Eckernförde hatte am 05.12.11 zu einem Abend zum Thema „Spiele und Spielzeug – einst und jetzt“ eingeladen und Dr. Mehl – der Organisator der Veranstaltung – hatte unsere beiden Protagonisten eingeladen, bei dieser Gelegenheit unser königliches Spiel vorzustellen. Es wurde ein abwechslungsreicher Abend vor etwa 80 Zuschauern. Eingerahmt von themenbezogenen Lesungen, von einer einschlägigen Bilderschau und von verschiedenen Vorführungen stellten Lomer und Geruschkat als die beiden Weltmeister Aljechin und Lasker die entscheidende Phase ihrer 1934 in Zürich gespielten Partie vor. An einem normalen Turnierbrett sitzend, wurden Stellung und Züge durch eine Videokamera auf eine Großleinwand übertragen. Zum guten Abschluss bot „Weltmeister Aljechin“ seinem Kontrahenten ein Glas Wasser an – geschichtlich korrekt wäre es besser ein Wasserglas Kognak gewesen. Die Lichtverhältnisse waren für die Übertragung nicht optimal, aber nachdem Dr. Mehl Lomer versichert hatte, dass die Darbietung gut zu sehen gewesen sei und er sie auch verstanden hätte, war der Erfolg dieses Teils der Veranstaltung gesichert.

Es ging um die oben stehende Stellung. Der geneigte Leser möge die weltmeisterlichen Gedankengänge nachempfinden. Aljechin als Weißer am Zuge gewinnt die Partie durch einen fulminanten Schlussangriff (der letzte Zug 24. … f7-f6 war ein entscheidender Fehler). Lasker gab zwei Züge nach der Diagrammstellung aus guten Gründen auf.