Ralf Koch und Dustin Möller haben im diesjährigen FC St. Pauli Open mitgespielt. Dustin hat darüber den folgenden Bericht verfasst:

In der Woche vom 06.07. bis 14.07. wurde in meiner Heimatstadt Hamburg zum vierten Mal das St.Pauli Schachopen ausgerichtet. Neben mir fand sich mit Ralf Koch ein weiteres Mitglied unseres Vereins zu diesem mit 272 Teilnehmern auch zahlenmäßig stark besetzten Turnier ein. Gespielt wurde in zwei Gruppen ( „A“ und „B“), wobei man als „Eintritt“ für das A-Turnier eine TWZ von mindestens 1800 nachweisen musste.So kam es, dass Ralf und ich uns auf die Gruppen aufteilten, er kämpfte im mit vielen Jungtalenten gefächerten B-Open, während ich mich an das A-Open wagte. Mit meiner derzeitigen DWZ von 1832 war ich nicht sehr verwunderlich an Platz 132 von 136 Teilnehmern in meiner Gruppe gesetzt, es gab also nichts zu verlieren!

Die erste Runde bot gleich eine sehr positive Überraschung. Ich spielte gegen den aus Süddeutschland stammenden Andreas Werner (2054), ein sehr sympathischer Gegner, mit dem ich im Laufe des Turniers noch viele Partien unter mehr als genug Gelächter analysierte. In einem durchwachsenen Spiel, in dem ich Ende des Mittelspiels eine Qualität geben musste, gelang es mir, sie im Laufe des Endspiels zurückzugewinnen und das später daraus resultierende gleichfarbige Läuferendspiel dank eines Freibauernpaares für mich zu entscheiden.

Die zweite Runde ging ich dann gegen den starken Sven Wobbe (2085) etwas zu euphorisiert an, indem ich mit Schwarz im Marshall-Angriff früh zwei Figuren für einen Turm opferte. Mein Gegner nahm mir schnell meinen Optimismus und entschied die Partie verdient für sich.

Der dritte Turniertag bot für mich eine inoffizielle Doppelrunde. Nachdem ich morgens um 8:00 noch in der Kieler Uni meine Statistikklausur schrieb, fand ich mich nachmittags am Brett dem Hamburger Birger Wenzel (2050) gegenüber. Vom Klausurdruck befreit, gelang mir ein sehr überzeugender Sieg mit den weißen Steinen. In der Leningrader Variante der Holländischen Verteidigung spielte Birger an einigen Stellen eher passive Verteidigungszüge, was letztendlich in nebenstehender Diagrammstellung sein Ende fand. Die letzten Züge waren 26. Se6+ Kh6 27. Lc1+ g5 28. Lxg5+. Sie führten zu einer Stellung, die an Dominanz wohl kaum zu übertreffen ist, weshalb mein Gegner folgerichtig aufgab. Nach 28. … Kg6 droht das Doppelschach Sxf8 und dem einfachen Einsammeln sämtlicher Figuren.

Nach diesem sehr erfolgreichen Start ins Turnier begann nun eine kleine Durststrecke. Zuerst verlor ich in Runde 4 gegen David-Geffrey Meier (2070), wo es mir in einem Endspiel mit Doppelturm + Läufer und einem Mehrbauern leider gelang, meine Stellung zu passiv zu behandeln und infolgedessen zu verlieren.

Diese Niederlage schlauchte mich ziemlich, weshalb ich am nächsten Tag ohne jegliche Lust auf Schach ans Brett gegen Stefan Kock (1933) trat. Bemüht, schnell taktisch irgendwie zu gewinnen, kam ich durch meine undurchdachte Spielweise schnell unter die Räder.

Nach diesen beiden erfolglosen Runden spielte ich nun mit den schwarzen Steinen gegen den U14-Spieler Kolja Kühn (1918). Es entwickelte sich das zweischneidige Zweispringerspiel im Nachzug (1.e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Sf6 4. Sg5!?), in dem ich starke Initiative innehatte, welche aufgrund sehr präziser Verteidigung von Kolja leider in einer Zugwiederholung enden musste.

Mein nächstes Highlight folgte glücklicherweise in Runde 7 gegen den sehr erfahrenen Schachfreund Jürgen Dümmke (1940). In einer sehr langen Partie mit festgefahrenen Fronten, in der die erste Figur im 38. Zug geschlagen wurde, gelang es mir, nach einem Generalabtausch der Schwerfiguren auf der a-Linie ein Leichtfigurenendspiel zu erreichen, in dem ich den Bauern d6 gewinnen werde und Schwarz dringend seine Figuren aktivieren muss (s. Diagramm links).

Nach einem Dutzend sehr präzise gespielten Zügen schaffte ich es, meinen Gegner in eine  hoffnungslose Position zu manövrieren. Das Wichtigste war, zumindest eine seiner Figuren passiv zu halten, was mir gelang (s. Diagramm rechts). Die Natur der Stellung ist deutlich. Schwarz ist quasi im Zugnirvana angekommen und kann nur noch das Läuferdreieck h6 – g7 – h8 ziehen, während Weiß einen einfachen Gewinnplan hat. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge musste ich mich an meine Partie in der Vereinsmeisterschaft gegen Kai Krüger erinnern, in dem dieser mich in einer vergleichbar passiven Lage hatte und die Königswanderung von der achten bis zur ersten Reihe antrat, ohne dass ich dem irgendetwas entgegen setzen konnte. Mit der Erinnerung an diese schmerzliche Niederlage war der Plan schnell gefunden: mein König tritt die lange Reise von f2 bis c8 an, um den Springer auf d7 und damit die Partie zu gewinnen. Was auch geschah.

Mit nunmehr 3½ aus 7 Punkten war das Ziel 50% in greifbarer Nähe, dennoch war es mir in Runde 8 noch nicht vergönnt, dieses zu erreichen. Gegen den 21-jährigen Timo Sturm (2081) gerieten wir in eine Carlsbader Struktur, in der wir lange der Theorie folgten, die ich leider am Brett finden musste, während mein Gegner diese kannte. Wie es früher oder später kommen musste, griff ich im 18. Zug dann nicht mehr zum besten Zug, wodurch ich eine Stellung mit einem Bauern weniger, aber etwas Initiative auf den gegnerischen König bekam, was letztendlich leider nicht genug war, um die Niederlage abzuwenden.

Hochmotiviert, in der letzten Runde nun endlich die 50% voll zu machen, bereitete ich mich bis tief in die Nacht auf meine Gegnerin WFM Alice Winnicki vor. In dem Wissen, dass sie auf 1.e4 Französisch spielen würde, nahm ich mir vor, ausnahmsweise den weißen e-Bauern zuerst zu ziehen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Vorbereitung wohl eher Zeitverschwendung war, weil Alice bereits im 6. Zug von der Theorie abwich, was leider gleichzeitig ein herber Fehler war. Nach den Zügen 1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sd2 Sf6 4. e5 Sfd7 5. Ld3 c5 6. c3 Dg5? (s. Diagramm links) dachte sich Alice wohl, sie würde mich sofort aus der Vorbereitung schmeißen und gleichzeitig ein wenig auf den Bauern g2 drücken können. Unglücklicherweise für sie funktioniert nach meinem Zug 7. Se4 das Schlagen auf g2 nicht, da nach Sg3 nebst Lf1 die Dame verloren geht. Folglich musste die Dame den Rückzug nach d8 antreten. Ich zog sodann 8. Sg5 schon mit dem entscheidenden Manöver im Sinn, Alice schlug den Bauern mit 8. … cxd4, welchen ich natürlich nicht wiedernehme, da nach Lb4+ die Stellung nicht mehr so klar ist. Stattdessen zog ich stark 9. Sxe6 fxe6 10. Dh5+ Ke7 11. Lg5+ Sf6. Hier schaut es auf den ersten Blick so aus, als ob Weiß einfach nur die Figur zurückgewinnt und Schwarz ein solides Bauernzentrum geschenkt hat, doch die eigentlich Pointe der Variante folgt auf den Fuß mit 12.exf6+ gxf6 13. Lxf6+!! (s.Diagramm rechts). An dieser Stelle gab Alice auf, der Damenverlust nach 13…Kxf6 14. Dh4+ lässt sich nicht abwenden.

Ein schöner Abschluss eines für mich sehr zufriedenstellenden Turniers. Mit  Rang 76 und 50% bei einem Gegnerschnitt von fast genau 2000 und damit knapp 60 gewonnenen DWZ- sowie 32 Elo-Punkten kann ich mich kaum beschweren. Besonders schön war die Erkenntnis, auf dem Level von 1900-2100 gleichwertig zu sein und teilweise starke Gegner sogar dominieren zu können.

Ein weiteres Highlight ist ohne Frage mein Weiß-Score, der mit 4 aus 5 in vier verschiedenen Eröffnungen (c4,d4,e4,g3) errungen wurde. Doch wo Licht ist, ist leider auch Schatten! Mit Schwarz nur ½ aus 4 geholt zu haben, ist sicherlich nicht zufriedenstellend, teilweise zwar etwas unglücklich und durch starke Gegner geprägt, aber dennoch etwas, an dem ich weiter arbeiten muss, um mich auf diesem Level zu etablieren!

Ansonsten kann ich nur Positives von diesem Turnier berichten: Eine tolle Organisation mit selbst kreiertem Bulletin als Schmankerl jeden Tag, an jedem Brett elektronische Uhren, viel freier Platz zum Sitzen ohne irgendwo auf der Tischkannte zu hocken, ein großer Analyseraum und natürlich das zweifellos tolle Ambiente des Millerntorstadions haben dem St. Pauli Open definitiv ein Kreuz in meinem Kalender für 2014 eingebracht!

Für meinen Mitstreiter Ralf Koch verlief das Turnier leider etwas durchwachsen, mit 4 aus 8 (in der letzten Runde gab es unglücklichweise einen Gegner, der es nicht mehr für nötig hielt, zum Spiel zu erscheinen) muss Ralf einen DWZ-Verlust von 12 Punkten hinnehmen, dennoch lieferte sein Turnierverlauf auch einige sehr umkämpfte und spannende Partien, mit denen er mit Sicherheit auch nicht allzu negativ auf das Turnier zurückblicken wird.

Das Turnier wurde im Übrigen von GM Henrik Teske vor IM Georgio Souleidis und GM Bartosz Socko gewonnen (alle 7½ Punkte). Niclas Huschenbeth, der zweimalige Sieger dieses Turniers, landete nach einer unglücklichen Niederlage gegen den Turniersieger Teske in der letzten Runde nur auf dem 6. Rang, nachdem er lange Zeit das Feld von vorn angeführt hatte.

Für mich persönlich gehts gleich morgen weiter mit dem Schachturnier in Lüneburg mit der Hoffnung, meine Form beibehalten zu können ohne zu arge Auswirkungen nach neun Tagen Schach am Stück. Ich hoffe natürlich, kommende Woche ähnlich positiv von dem Turniers meines Ex-Trainers Jonathan Carlstedt berichten zu können!

Anmerkung des Webmasters:

Dustin Möller spielt in Lüneburg das Open in der Woche vom 15.07.13 bis zum 21.07. mit. Wir werden an dieser Stelle seinen Weg in den 7 angesetzten Runden verfolgen. In derselben Woche werden dort auch noch weitere Turniere ausgerichtet, im Großmeisterturnier spielt auch unser ehemaliges Mitglied IM Aljosch Feuerstack mit! 

 

Spieler im Open

gesetzt an …

Rd. 1

Rd. 2

Rd. 3

Rd. 4

Rd. 5

Rd. 6

Rd. 7

Punkte

Platz

Dustin Möller

66

46

0

½ 

½ 

½ 

½

0

./.

2

58.