– Ein Bericht von Dustin Möller –

Nach den in den letzten Jahren sehr spärlichen Ergebnissen im Elo-Turnier des Kieler Opens ging es nun einmal mehr darum, die Schwimmflügel anzulegen und endlich mal eine ordentliche Leistung zu bringen. Durch die allgemein zu bemängelnde Präsenz unseres Vereins beim Kieler Open sowie durch Ralfs Abgang in das DWZ-Turnier lag es also nun an mir, unseren Verein im Oberhaus zu vertreten.

Durch den gesteigerten Preisfonds fand sich gerade in der Spitze ein sehr starkes Teilnehmerfeld zusammen. Die Top 10 der Setzliste war mit Teilnehmern aus Belgien, Polen, Schottland, Lettland, Ukraine, Tschechien, China, Russland und Deutschland ethnisch vielfältiger als jemals zuvor besetzt, eine sehr erfreuliche Tendenz!

02.08.2014 – 1. Runde

In der ersten Runde durfte ich mein Glück mit Schwarz gegen Martin Friebe (DWZ 1941/Elo 2066) auf die Probe stellen. Martin wählte eine relativ ambitionslose Eröffnung und es gelang mir schnell, Ausgleich und aktives Spiel zu erringen. Einmal mehr lauerte das Verderben im Endspiel. Durch eine schreckliche Abwicklung ins Bauernendspiel musste ich mich leider geschlagen geben. Unglücklich in einer Partie, in der ich nie schlechter stand. Schlechter Start. Alles beim Alten – Möller beim Kieler Open.

02.08.2014 – 2. Runde

Später am Tage ging es direkt in die zweite Runde. Die zwei Doppelrunden zu Beginn des Turniers kennzeichnen die Schwierigkeit, die jeder Spieler an den ersten Turniertagen überstehen muss. Schon so früh mit dem Druck, dem Treibsand der unteren Turnierhälfte zu entgehen, galt es für mich, gegen Schachfreund Jürgen Meier (DWZ 1882/Elo 1955) den ersten Punkt zu holen, um in Folge weiterhin stärkere Gegner zu bekommen.

Schon vor der Partie warnte mich Ralf, dass mein Gegner sehr kreatives Angriffsspiel bevorzuge und dass ich dies auf jeden Fall vermeiden sollte. Wie die Partie zeigte, gelang es mir nicht, dieser Versuchung zu entgehen. Es ist eines dieser Spiele, die den gesamten Turnierverlauf prägen.

In der vorliegenden Stellung nach 15.Tf3 steht mein Gegner mit Schwarz klar auf Gewinn. In der Partie nahm mein Gegner den Bauern g5, da er die entscheidende Pointe seines Angriffs leider übersehen hatte. Es handelt sich nach 15. … Dh2+ und 16.Kf1 um Sxd5!!.

Ein Motiv, welches ich in der Partie ebenfalls sah, allerdings mit eingeschobenem 16. … Se3+ 17.Txe3 und dann Sxd5 mit Schach. Der Computer zeigt bereits im 16. Zug Sxd5 an mit Gewinn – die Schwäche des Feldes e3 ist eklatant.

Doch so kam es nicht, mein Gegner verpasste diese Chance und entschied sich, den Bauern auf g5 zu nehmen, wonach ich mich konsolidieren konnte.

Es gelang mir, eine sehr dominante Stellung herbeizuzaubern, welche ich im 26. Zug in Materialvorteil ummünzen konnte. (s. Diagramm) De6+! gewinnt das Spiel. Nimmt die Dame, schlägt der d-Bauer wieder und sowohl Springer als auch Turm hängen.

03.08.2014 – 3. Runde

Die dritte Runde verlief unspektakulär. Mit den schwarzen Steinen ging es gegen Joachim Berger (DWZ 2001/Elo 2025) aus Lübeck. Ich reagierte sehr gut auf seine Schottische Eröffnung und hatte keinerlei Probleme, die Partie im Gleichgewicht zu halten und zu remisieren.

03.08.2014 – 4. Runde

Nach der kurzen dritten folgte eine lange vierte Runde. Mikkel Jacobsen (Elo 2007) vollbrachte das Wunder, mich in meiner bevorzugten Englischen Eröffnung zu einer ungewohnten Ungenauigkeit zu bringen, die ihm früh Vorteil versprach.

Es erforderte meine sämtliche Kreativität, mich aus der folgenden Stellung zu retten (Stellung nach … b4).

Drängt mich der Bauer zurück und wird gesichert mit a5, stehe ich wohl objektiv auf Verlust, dessen war ich mir sicher. Verzweifelt nach einer Lösung suchend, fand ich den starken Zug 1.a5! Der Trick ist, dass 1. … Dxa5 2. Lxb4 der Zug 2. … Dxa1 an 3.Lxd6 scheitert; nach 2. … Db6 (Schwarz hält die Fesselung des Läufers aufrecht) hat Weiß mit 3.Sa3 leichten Vorteil.

In der Folge erhielt ich eine gute Stellung mit aktiven Figuren, welche mir leider nur einen halben Punkt bringen sollte.

 

04.08.2014 – 5. Runde

Stanislav Praczukowski (Elo 2007) forderte mich am Folgetag. Diesmal war das Glück auf meiner Seite. Schon im neunten Zug stand das Brett in Flammen (s. Diagramm links – Stellung nach 9.Sf4). Mein mit Weiß spielender Gegner droht Sxe6 und Dh5+. Ich entschied mich, die folgende Variante zu spielen: 9. … Sxd4 10.Dh5+ Ke7 11. Sg6+ hxg6 (s. Diagramm rechts). Hier ist es für Weiß zwingend notwendig, zuerst den Bauern auf f6 mit Schach zu nehmen und wir befinden uns in einer normalen Hauptvariante. Stattdessen schlug mein Kontrahent direkt auf h8, wonach seine Stellung verloren ist. Nach Sxe5 sind die schwarzen Springer zu dominant und die weiße Dame zu missplatziert, um an der Verteidigung teilzuhaben. Der angegriffene Läufer auf d3 muss nach b1 zurückziehen und wurde sofort mit dem Sargnadel 13…Dc7!! beantwortet. Rochiert Weiß, gewinnt die Springergabel auf e2, zieht Weiß den König nach d1, gerät er zusehends unter Druck. Letzteres sollte geschehen.

Die Endstellung nach 17. … Sg4 gleicht einer Demütigung, ein Weckzeichen für jeden, wie schnell man in der Eröffnung mit einem simplen Fehltritt danebengreifen kann.

 

 

05.08.2014 – 6. Runde

Mit nunmehr „3 aus 5“ war es nicht verwunderlich, dass mein Gegner Bülent Saglam (DWZ 2063/Elo 2097) ein ganz anderes Kaliber als meine bisherigen Gegner darstellen sollte. Wieder eine ungenaue Eröffnungsbehandlung von meiner Seite (mit Weiß) – und wieder früh den Anzugsvorteil aufgegeben.

Tatsächlich muss ich in der Diagrammstellung mit Lc6+ die Reißleine ziehen, mit praktischen Chancen aufs Remis.

In der Folge verflachte das Spiel schnell durch diverse Abtäusche auf d7 und a6 und das Remis nahm Form an. Tatsächlich fanden wir uns in einem Turmendspiel mit jeweils 4 Bauern auf dem Königsflügel wieder. Bülent ist bekannt dafür, jede Stellung bis zum bitteren Ende zu spielen und so prüfte auch er mich noch weitere zwei Stunden. Ich konnte dieser Reifeprüfung standhalten – somit „3½ aus 6“.

06.08.2014 – 7. Runde

Die siebte Runde brachte mir einen richtigen Brocken – IM Maxim Chetverik (Elo: 2254). Es gelang mir lange, sehr gut mitzuhalten. Auch in der vorliegenden Stellung wäre nach 25. … Sxe4 26.Lxg7 Tf7 (der Läufer kommt nicht mehr raus, ohne geschlagen zu werden) alles in Balance mit leichten Vorteilen für Weiß gewesen. Stattdessen patzte ich mit 25. … Sh5 – was nach dem Abtausch auf g7 das Feld f6 für den weißen Springer öffnet. Der Verlust der Qualität ist unvermeidlich, was einem Spieler seiner Klasse natürlich für den vollen Punkt genügt, schade!

 

07.08.2014 – 8. Runde

Auch in der achten Runde erwartete mich ein hartes Los: Mark Meyers (DWZ 2116/Elo 2007). Mark, der in den vergangenen Jahren mehrmals die deutsche Jugendmeisterschaft bestritt, setzte mich von Beginn an unter Druck. Mit den weißen Steinen kam ich abermals früh in Bedrängnis, diesmal mit einer am Ende verdienten Niederlage. Die Ausbeute mit den weißen Steinen während dieses Turniers war ohne jede Frage unterirdisch, definitiv verbesserungswürdig!

08.08.2014 – 9. Runde

Nach zwei Niederlagen in Folge ging es nun also nochmal darum, zumindest 50% zu erreichen und das Turnier befriedigend zu beenden. Mit den schwarzen Steinen durfte ich dies mit Erfolg gegen Stephan Millgramm (DWZ 1837/Elo 1865) umsetzen.

Stephan, der für seine sehr unorthodoxen Eröffnungen bekannt ist (beispielsweise 1.c3), versuchte es gegen mich mit einer seriösen Eröffnung. Früh zeigte sich seine mangelnde Vertrautheit mit dem Stellungstyp der Damenindischen Verteidigung. In dieser Stellung sah Stephan sich bereits genötigt, mit h4 die Drohung g5 zu parieren.

Die Platzierung des Läufers auf f4 zeigt seine fehlende Kenntnis über diesen Stellungskomplex, in dem der Läufer sich auf f4 sehr unwohl fühlt, durch die Anfälligkeit, die dieses Feld darstellt. Des Weiteren ist der Bauer auf a3 nun dauerhaft gefährdet.

Im weiteren Partieverlauf gelang es mir, meinen Stellungsvorteil konstant zu halten und letztendlich in einem Läuferendspiel mit Mehrbauern zum Sieg zu verwerten – „4½ aus 9“.

Fazit

Letztendlich ein sehr zufriedenstellendes Turnier. Eine Performance von 2012, verbunden mit 64 gewonnenen DWZ- sowie knapp 40 Elo-Punkten, ergeben die bisher beste Turnierleistung von meiner Seite bei einem Schachopen. Klar ersichtlich war für mich, dass ich bis 2100 jedem Gegner standhalten kann, ein Umstand der mich sehr positiv stimmt im Blick auf die kommende Landesligasaison!

Das Schwarzrepertoir war solide mit 2½ aus 5 – das Weißrepertoir mangelhaft mit 2 aus 4 – der größte Kritikpunkt neben meinen beiden Niederlagen im Springer/Läufer-Endspiel. Weiß-Eröffnungen und Leichtfiguren-Endspiele rücken somit deutlich in den Fokus für die nächsten Wochen!

Bei der Siegerehrung sollte auf mich dann noch ein kleines Schmankerl warten. Mit meinem Sieg in der letzten Runde gelang es mir, in der Ratinggruppe unter 1880 den zweiten Platz zu erlangen, welcher mit 50 Euro datiert war.

Das Turnier gewann Vadim Malakhatko mit 7 Punkten vor dem punktgleichen Vorjahressieger Jacek Stopa.

Allumfassend fiel mir das Kieler Open positiv auf im Vergleich zu den Vorjahren, nicht zuletzt durch meine eigene Leistung. Das Wetter war ausnahmsweise angenehm, was den Turniersaal klimatisch halbwegs erträglich machte. Eine neue Bestuhlung sorgte für ein nettes Ambiente, wohingegen die mechanischen Uhren ab Brett 15 abwärts ein alljährlich wiederkehrendes Manko darstellen. Es ist in Zeitnot einfach unglaublich frustrierend, die Sekunden nicht genau sehen zu können. Es ist mir auch nicht ersichtlich, warum man sich die nötigen 50 digitalen Uhren nicht vom Verband oder von Nachbarvereinen leihen kann.

Trotz kleiner Mängel ist das Kieler Open nach wie vor ein Muss für jeden im Umkreis. Es wäre wünschenswert, dass mehr Spieler unseres Vereins dies ebenso sehen und sich im nächsten Jahr mal wieder ins Haifischbecken dieses Schachopens wagen würden!