Es gibt verschiedene Zeitrechnungen: Für Edmund Lomer ist der Monat Juni seit über zehn Jahren der Monat des Simultanspiels im Rathaus gegen eine prominente Gästeschar. Er hat diese Auseinandersetzung noch nie verloren und er setzt auch allen Ehrgeiz daran, es dabei zu belassen, denn im Falle einer Niederlage – so hat er es für sich selbst bestimmt – trete er nicht wieder an. Niemand ahnte, dass er am 05.06.14 dieser Gefahr so nah war wie noch nie.

Doch von Anfang an: Frau Stephan – Kulturbeauftragte der Stadt Eckernförde – begrüßte Edmund Lomer und die 19 Kontrahenten, darunter etliche „Ehemalige“: den ehemaligen Bürgermeister und späteren Innenminister Klaus Buß, den ehemaligen Bürgermeister und Ehrenbürger Kurt Schulz und den ehemaligen Standortältesten Hans-Jürgen Schäfer. Sie hatten alle schon Erfahrungen aus früheren Begegnungen, auch solche, an die sich der Simultanspieler nicht gerne erinnerte. Hans-Jürgen Schäfer ist sogar ein rechter Angstgegner für Lomer, hat er doch in den vergangenen Begegnungen immer gegen ihn verloren. Es darf vorweg genommen werden: in diesem Jahr hat Lomers Psyche durch einen Sieg gegen ihn an Stabilität gewonnen. Lomer saßen auch recht starke Vereinsspieler gegenüber, so Enrique Ruiz Hampel, seit Himmelfahrt Schnellschachmeister des Bezirks Nord und Kai Krüger, einer der stärksten Spieler des Eckernförder Schachclubs. Aber auch absolute Anfänger saßen im Rund: Nach ihren eigenen Worten hatte die Künstlerin Amelia Czeraniuk erst zum dritten Mal Schachfiguren in ihren Händen und hat gleichwohl Edmund Lomer mit einiger Assistenz durch Nachbarn erstaunlichen, allerdings letztendlich vergeblichen Widerstand geleistet.

Nach der Begrüßung durch Frau Stephan begann für Edmund Lomer die erste von vielen, vielen Runden. Wie in den Vorjahren hatte er sich körperlich gründlich vorbereitet, indem er auf übliches Schuhzeug verzichtete und sich stattdessen Turnschuhe angezogen hatte. Die Füße sind ja auch bei ungefähr 60 Runden „stop and go“ etlichen Belastungen ausgesetzt.

Nach etwa 20 Runden geschah etwas, was Edmund Lomer im Laufe seiner Simultankarriere noch nie passiert war: er geriet in Rückstand! Klaus Buß entfachte einen Angriff gegen Lomers König und setzte dann fulminant nach einem tödlichen Doppelschach Lomers König in seiner scheinbar uneinnehmbaren Festung matt! 0:1 – das gab es noch nie. Und es sollte noch schlimmer kommen: Bald danach siegte auch Wolfgang Bachor, somit also 0:2 und eine drohende Gesamtniederlage war nicht mehr auszuschließen. Aber Edmund Lomer holte Partie um Partie auf und entschied mit einem Remis in der letzten Partie gegen Olaf Zeuch nach gut drei Stunden die Sitzung mit 10:9 für sich.

Es ist guter Brauch, bei einer solchen Veranstaltung diejenigen namentlich zu benennen, die sich durch Sieg oder Remis erfolgreich gegen den Champion gewehrt haben. Aber bei 7 Siegern und 4 Remisspielern geriete das zum „Namedropping“. Dennoch darf der Chronist mit gefälligem Schmunzeln eine Besonderheit erwähnen: Die Familie Ruiz Hampel war mit Vater und zwei Töchtern zu Dritt angetreten. Vater Enrique stand in seiner Partie deutlich besser, verlor aber in besserer Stellung durch einen überfallartigen taktischen Trick seines Gegners, seine beiden Töchter wehrten sich hingegen einfallsreich und siegten in ihren beiden Partien: Vater musste einigen Spott nicht nur von den Töchtern ertragen. Er ertrug es mit einer Mischung aus Stolz und Humor.

Edmund Lomer spendierte den Siegern und denjenigen, die ihm durch ein Remis standgehaltenen hatten, einen Gutschein für ein Eis beim Italiener und beendete damit einen gelungenen Nachmittag. Und besonders erfreulich ist, dass eine Wiederholung im nächsten Juni nicht ausgeschlossen worden ist.