– Ein Bericht von Dustin Möller –

Nunmehr zum dritten Jahr in Folge verschlug es mich Mitte August in die Hauptstadt und damit zum „Lichtenberger Sommer“, einmal mehr begleitet von meinem guten Freund Christopher Deutschbein. Durch die liebevolle Aufnahme im Hause Deutschbein/Zentgraf war uns einmal mehr das bestmögliche Umfeld geboten – eine liebenswürdigere Umsorgung kann man sich wahrlich nicht wünschen. Auch auf diesem Wege sei Euch von Herzen gedankt!

Schon einige Tage vor Beginn des Turniers taten Christopher und ich uns zusammen, um vor dem Turnier noch die ein oder andere Trainingseinheit einzuschieben. Es sollte sich auszahlen. So fanden wir uns also am 16.08. im Audimax der Hochschule für Technik und Wirtschaft ein. Mit uns 226 andere Schachfreunde voller Tatendrang. In dem mit 21 Titelträgern besetzten Turnier fand ich mich auf Setzlistenplatz 111 wieder.

16.08.2014 – 1. Runde

Die erste Runde bescherte mir ein machbares Los. Torsten Eichstädt DWZ: 967) vom Ausrichter des „Lichtenberger Sommers“, dem SC Friesen Lichtenberg e.V.   Torsten hatte erst kürzlich mit dem Schach angefangen und war somit auch nicht in der Lage, meinen ersten Punkt zu verhindern. Trotz des schlechten Starts für meinen DWZ-Schnitt bin ich im Nachhinein sehr froh, gegen Torsten gespielt zu haben. Viele Spielabende fragte er mich nach Abschluss unserer Partien um Rat in der Analyse, sprühend voller Wissbegierde und Lernfreude. Ich freue mich schon jetzt auf nächstes Jahr, wenn Torsten mit Sicherheit ein ganz anderes Hindernis darstellen wird – „1 aus 1“.

17.08.2014 – 2. Runde

In der zweiten Runde begann das Turnier dann wirklich. Veit Godoj (DWZ: 2002/Elo: 2031) prüfte mich in der Italienischen Partie. Wie es das Italienisch an sich hat, bot das Spiel außer Figurenmanövern nicht sonderlich viel Spannung. Bereits nach 22 Zügen einigten wir uns durch 3-fache Zugwiederholung regelgemäß auf Remis – „1½ aus 2“.

18.08.2014 – 3. Runde

Auch meine dritte Runde sollte im Remis enden. Zwar hatte ich früh sehr kreativ auf Angriff gespielt, dennoch gelang es mir gegen Rainer Albrecht (DWZ: 2026/Elo: 2109) nie, entscheidenden Vorteil rauszuholen. Trotz etwas dominanterer Stellung hatte ich wohl etwas zu viel Respekt vor der Wertungszahl meines Gegners und willigte schließlich ins Remis ein – „2 aus 3“.

19.08.2014 – 4. Runde

Jeder kennt sie – diese Partien, die ein ganzes Turnier prägen. So auch in meiner Partie mit Schwarz gegen Matthias Hahlbohm (DWZ: 2005/Elo: 2029). Früh setzte mich Matthias massiv unter Druck. In der Stellung nach 15. … Txf6 (s. linkes Diagramm) stehe ich schon mehr oder weniger auf Verlust.

Doch schaffte ich es – unter Mithilfe einiger ungenauer Züge meines Gegners – die Partie nach 21. … Sf4 (s. mittleres Diagramm) nicht nur auszugleichen, sondern gar die Initiative zu übernehmen. Die Stellung verweilte die nächsten 10 Züge im Gleichgewicht, doch immer mit leichtem Druck auf meinem Gegner. Ich war früh bereits im 30. Zug in Zeitnot, mein Gegner folgte nicht viel später. Weiter offensiv drückend, zog ich den Angriff fort und vermochte es letztendlich, meinen Gegner im 36. Zug nach Sf4+ zur Aufgabe zu zwingen.

Die Figur gewann ich kurz vorher, nun ist das Matt (der Trick ist Da6+ auf Kf1 – andere Königszüge sind sofort Matt) nur durch hohe materielle Verluste zu vermeiden – „3 aus 4“.
20.08.2014 – 5. Runde

Soweit so gut! 5. Runde – mit Weiß gegen den jungen Georg Tscheuschner (DWZ: 2043/Elo: 1967). Zum einzigen Mal im Turnierverlauf kam meine Vorbereitung aufs Brett. Nach einer langen Theorievariante wich ich mit einem ungewöhnlichem Bauernopfer aus den Hauptvarianten jedoch ab, was meinen Gegner so sehr aus dem Konzept warf, dass ich früh eine ganze Stunde Zeitvorteil innehatte. Dazu eine gute Stellung, welche ich in überzeugender Natur verwerten konnte – „4 aus 5“.

21.08.2014 – 6. Runde

Nach diesem Zwischensprint war es nicht weiter verwunderlich, dass mich in der 6. Runde ein ganz anderes Kaliber erwarten würde: IM Dmitry Stets (DWZ: 2360/Elo:2419). Trotz der frühen Angriffsbemühungen meines Gegners gelang es mir lange, die Partie im Gleichgewicht zu halten. Es entstand ein Endspiel mit Turm und Leichtfigur mit 4 gegen 3 Bauern zu Gunsten meines Kontrahenten. In hoher Zeitnot griff ich dann leider fehl und musste schließlich einsehen, dass der „Tag X“ der ersten Niederlage gekommen war – „4 aus 6“.

22.08.2014 – 7. Runde

Abermals mit den schwarzen Steinen galt es, am Folgetag gegen Phillip Heuser (DWZ: 2023/Elo: 2095) die Fahrt wieder aufzunehmen. Früh gelang es mir, die Initiative zu übernehmen und den weißen König in der Mitte zu halten. Die Diagrammstellung nach 19. … Td2+ gleicht einem Fiasko für Weiß. Ein überzeugender Sieg, der mich wieder mit Selbstvertrauen für die letzten beiden Tage vollpumpte – „5 aus 7“.

23.08.2014 – 8. Runde

Wolfgang Rohde (DWZ: 2120/Elo: 2162) schickte sich am Samstag an, es als Nächster gegen mich zu probieren. Man merkte sofort, dass Wolfgang keinen Freundschaftspreis gewinnen wollte. Er setzte mich von Beginn an positionell unter Druck. Es war nie kritisch, aber er gab mir zuhauf die Möglichkeit fehlzugreifen. Ab dem 30. Zug befand ich mich in der bekannten Zeitnot. Mein Gegner war gewillt, mir so wenig Zeit zum Nachdenken zu geben wie irgend möglich. Er fing ebenfalls an zu blitzen. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Zunächst gewann ich mit Weiß taktisch einen Bauern bei einer geschickten Abwicklung ins Turmendspiel, dann isolierte ich seinen König am Rande des Feldes, ein Umstand, der im Turmendspiel nie ein gutes Zeichen ist. Ich gewann einen zweiten Bauern auf Kosten seiner Königsaktivierung und gewann die Partie stilsicher mit 51. Td5 – „6 aus 8“

Nicht nur war meine Leistung von gut zu grandios übergegangen, ich gewann auch vorzeitig den Ratingpreis in der Kategorie 1600-1800.

24.08.2014 – 9. Runde

Ohne jeden Druck ging ich also in den Abschlusstag. IM Ulf von Herman (DWZ: 2324/Elo: 2379) hatte mit 5 aus 5 überragend das Turnier angeführt, nur um dann in den Runden 6-8 ebenfalls am Abschlusstag mit 6 Punkten gegen mich kleinen 1800er spielen zu dürfen. Man merkte früh in der Partie, dass wir beide nicht sonderlich an langem Theoriegeplänkel interessiert waren. Im 17. Zug scheiden sich die Wege. Schlägt Weiß auf c4 mit dem Springer nebst Txd7 und Sd5, steht er glatt auf Gewinn. Eine Kombination, die wir beide nicht am Brett sahen, glücklicherweise. Statt dessen schlug Ulf zuerst auf f6, was mir die taktische Rettung Sxe3! erlaubt. Weiß muss schon mit Sc4 alle Register ziehen um überhaupt in der Partie zu bleiben. Ulf entschied sich für Dxe3, was nach wenigen Zügen zu einer glatten Gewinnstellung für mich führte. Hier bot mir Ulf Remis, wohl wissend, dass er hoffnungslos verloren ist. Und hier begang ich meinen wohl einzigen richtigen Patzer im Turnier – ich nahm an, ohne nachzudenken.

 

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch rund 15 Minuten für 20 Züge und hatte auch vor Db5+ zwei Varianten berechnet, doch entging mir jeweils ein kleines Detail. Was mir entging war, dass ich nach 1. … Dxb5 tatsächlich forciert Material gewinne. Nach der Zugfolge 2. Lxb5+ Ke7 3. fxe3 Lxc3 4. Ta2 Lxd2 5. Txc8 muss Schwarz nicht den Turm wiedernehmen, sondern behält seine Mehrfigur durch das Zwischenschach 5. … Lxe3+, welches ich übersah. Auch beim direkten Zurückschlagen des Turmes auf c8 ist die Stellung deutlich besser für mich laut dem Computer, etwas, das mir in der Partie so deutlich aber nicht erschien, insbesondere bei meiner knappen Zeit.

 

Dennoch war es ein kindischer Fehler, das Remis sofort anzunehmen und nicht nochmal in Ruhe fünf Minuten zu rechnen. Diesen Fehler werde ich definitiv nicht wiederholen! So endete ich also mit „6½ aus 9“ und Platz 12. Hätte ich diese Stellung gewonnen, wäre es der 7. Platz geworden! – ein bitterer Beigeschmack nach einem so hervorragendem Turnier.

Fazit:

Mit einigen Tagen Abstand kann ich mich nun auch wieder über meine Leistung freuen. So dumm mein Remis in der letzten Runde auch war, mindert es nicht meinen Stolz über die erbrachte Leistung. Mein Spielniveau betrug 2263 und brachte mir 98 neue DWZ Punkte ein, ein selbst für jemandem mit meinem Selbstvertrauen überwältigendes Ergebnis.

Insgesamt stellt sich der „Lichtenberger Sommer“ als ein gutes Pflaster für mich dar. Es sind wohl viele Faktoren, die dieses Turnier so angenehm zu spielen machen. Mein Umfeld, der Spielort, aber vor allem muss man die einmalige Arbeit des SC Friesen Lichtenberg hervorheben. Es ist fast surreal, wie direkt nach der Paarung abends um 23 Uhr, jeden Tag – ohne Ausnahme – sämtliche gespielten Partie auf der Webseite bereits eingegeben waren. Dies ermöglichte es sehr gut, sich gerade in den späteren Runden auf Basis der in diesem Turnier gespielten Partien des Gegners vorzubereiten. Man kann nur den Hut ziehen, wie dieser Verein es mit Unmengen an freiwilligen Mitgliedern schafft, täglich 115 gespielte Partien einzugeben – ganz großes Lob!

Auch mein Wegbegleiter Christopher spielte ein hervorragendes Turnier. Mit 5½ Punkten und 60 gewonnenen DWZ-Punkten kamen wir summiert auf ein Plus von 158 – man darf sich wundern was, eine Woche Training so ausmachen kann!

Das Turnier gewann Rene Stern vor Arik Braun und Ruslan Kurayan (alle 7½ Punkte).