– Ein Bericht von Dustin Möller –

Mit seinen vielfältigen Angeboten an Schach-Open ist der August immer ein besonders aufregender Monat. Wie es mittlerweile nahezu Tradition ist, hieß das für Christopher Deutschbein – unser neues Mitglied – und mich die Teilnahme am Kieler Open und an dem in Berlin ausgetragenen Lichtenberger Sommer.

Der Ein oder Andere mag sich über das Fehlen eines Berichtes über das zu Beginn des Monats stattgefundenen Kieler Heimspiels gewundert haben. Die Erklärung dafür ist so einfach wie auch traurig. Auf schmerzvolle Weise habe ich feststellen müssen, dass das Verfassen eines Berichtes mit über 2000 Wörtern hin und wieder eine Sicherheitskopie erfordert, für den Fall eines Programmabsturzes. Eben dieser radierte den fast fertig geschriebenen Bericht bis auf das letzte Wort aus. Die Lust, alles nochmal zu verfassen war gering, daher wird es hierzu auch keinen ausführlichen Bericht geben. Doch so viel sei gesagt: Sowohl Christopher als auch ich, die wir im A-Open antraten, waren sehr zufrieden mit unseren Leistungen und durften uns über ordentliche DWZ-Gewinne freuen.

Anmerkung des Webmasters: nach 9 Runden gab es im A-Open bei 84 Teilnehmern folgende Ergebnisse unserer Spieler: Dustin Möller Platz 20 mit 5½ Punkten; Christopher Deutschbein Pl. 50; 4 P.; im B-OPen bei 47 Teilnehmern: Ralf Koch Pl. 7; 6 P. – Holger Hogreve Pl. 20; 5 P. – Mirko Beyer Pl. 23; 4½ P. und Maik Madelmayer Pl. 42; 2 P.

Nun aber zum eigentlichen Thema dieses Berichtes, dem Lichtenberger Sommer. Dieser war abermals sehr gut besucht. 208 Schachfreunde fanden ihren Weg in die Hauptstadt, darunter auch viele bekannte Gesichter aus dem Norden: Alexander Pluska (Doppelbauer Kiel) trafen wir bereits auf der Hinfahrt, auf der bereits gut gescherzt und taktiert wurde. Ferner nahmen drei Lübecker Schachfreunde, unter anderem der mehrmalige Landesmeister Marco Frohberg, der Vorsitzende Thilo Koop und Jens-Tarek Eisheh sowie Joachim Kornrumpf (Preetz) und Arne Bahr (Turm Kiel) den Kampf an den Brettern an. Während des gesamten Turniers war diese lokale Verbundenheit permanent unterschwellig zu spüren, da fleißig beim Rest gekiebitzt wurde.

Der Turnierbeginn verlief, wie er zu erwarten war. Da Christopher und ich in der oberen Hälfte gesetzt waren, bedeutete dies, dass wir recht dankbare Gegner für den ersten Tag zugelost bekamen. Ein Umstand, um den wir nicht traurig waren, der Rotweinvorrat im Hause Deutschbein hatte am Vorabend doch beträchtlich Federn gelassen. Nachdem auf der Hinfahrt noch reichlich über einen Sieg Christophers über Alexander Pluska zwei Jahre zuvor gescherzt wurde, kam es am Folgetag wie es kommen musste, dem Rückspiel der Beiden. Abermals konnte Christopher das Spiel für sich entscheiden, nachdem Alexander sich in schlechterer Stellung nicht nur ein, sondern gleich zwei Dauerschachs ertrickst hatte. Wie sich herausstellte, sollte nur eines davon wirklich durchschlagen.

Meine Partie hatte ein ähnliches Ende, leider zu meinen Ungunsten. Nachdem ich erneut einen deutlich schwächeren Gegner (1850) gepaart bekam, überzog ich eine wohl nur leicht angenehmere Stellung in den forcierten Verlust.

Der dritte Turniertag war weniger spektakulär. Chris remisierte recht früh in der Partie und ich gewann.

Darauf folgend erlitt ich die zweite Niederlage, diesmal allerdings völlig verdient. Obwohl mein Gegner auf dem Papier deutlich unterlegen einzuschätzen war, schlug er mich auf positionelle Weise sehr überzeugend.

Die kurze Rochade für unser Duo machte Chris gegen Marco Frohberg komplett. Nachdem Marco bereits nach 7 Zügen positionell klar besser stand und Bauer + Stellung mehr hatte, ließ er das Spiel immer mehr in taktische Gefilde lenken und schuf sich selbst eklatante Felderschwächen. Trotz der zwischenzeitlichen Unsicherheiten konnte sich der Lübecker Schachfreund gegen unseren Neuzugang durchsetzen. An dieser Stelle möchte ich auf die Website von Marco Frohberg hinweisen (http://www.marcofrohberg.de), auf der er täglich vom Turnier berichtet hat. Darüber hinaus ist seine Seite für jeden zu empfehlen, der seinen schachlichen Horizont mithilfe eines Trainers erweitern möchte.

Nachdem ich meine Partie erfolgreich in den Sand gesetzt hatte und den Analyseraum betrat, sah ich etwas, das man so im Schach selten sieht: einen glücklichen Sieger und einen fröhlichen Verlierer. Während Marco deutlich erleichtert war, dem im Diagramm gerade aufkeimenden Mattangriff davon gekommen zu sein, war Christopher lediglich froh darüber, nach einem so frühen Bauernverlust die Partie noch interessant gestaltet zu haben. (s. Diagramm links nach 22 … Lb8). Die gemeinsame Analyse mit den Lübeckern war wohl mein persönliches Highlight des gesamten Turnieres.

Da ich derweil mit 2/4 gegen einen Gegnerschnitt von 1760 auf einem zwischenzeitlichen DWZ-Minus von 34 stand und damit meine Hoffnungen auf den Erwerb des Brett 1 für die kommenden Saison in weite Ferne gerückt schien, hieß es für mich von nun an, mit vollem Rohr auf Sieg zu spielen, um irgendwie die verlorenen Punkte wieder reinzuholen. Dies gestaltet sich in Berlin jedoch extra schwer, da bekanntlich bei der Paarung immer alle Punktgleichen nach ihrem Rang in der Startrangliste geordnet werden. Da das Feld in Berlin allerdings so breit ist, hieß dies für mich immer einen Platz im oberen Feld und damit schwächere Gegner, welche selbstverständlich weniger Punkte einbringen würden. So war ich mir im Klaren darüber, dass mindestens 6/9 nötig sein würden, um Brett 1 zu behalten.

Nach seiner vorangegangenen Niederlage kam Chris mit einem soliden Remis wieder zurück auf die Erfolgsspur, ich gewann gegen einen mit 400 Punkten geringer gewerteten Gegner (Zwischenstand -30).

Am Folgetag entschied ich mich, mit den weißen Steinen meine neue Liebe (?) auszupacken, das Colle-System. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gewann ich die Partie und hatte nun nur noch -24 aufzuholen. Chris gab seine Stellung in besserer Stellung remis. Er übersah das entscheidende vorteilbringende Motiv in der Stellung. Dazu war sein Gegenüber mit einem FM-Titel bestückt, da kann man auch mal ein Respektsremis abgeben! Seine Remisserie hätte Chris auch in Runde 7 beibehalten können, doch ließ ihn eine erneute Fehleinschätzung der Stellung eine Zugwiederholung ausschlagen und die Partie damit, ähnlich wie bei mir in Runde 2, überziehen. Kein guter Tag im Leben eines Kugelschreibers.

Meine Serie hielt jedoch an. Nachdem ich mit Schwarz endlich den ersten ebenbürtigen Gegner (1958) erhielt und überzeugend gewinnen konnte, war das rettende Ufer so langsam in Sicht (nur noch -17!).

In Runde 8 hieß es dann: alles oder nichts. Der erst 19-jährige russische FM Rudakov sollte determinieren, wohin der Weg gehen soll in der kommenden Saison. Da wir am Vorabend erst um 23:30 daheim waren und die 8. Runde am folgenden Morgen um 10 Uhr begann, bedeutete das wenig Zeit für Vorbereitung … denkste! Nachdem ich ein deutliches Manko im Eröffungsrepertoir meines Gegners gefunden hatte, saß ich bis um 01:00 Uhr am Laptop, voll motiviert, den vollen Punkt zu machen.

Am nächsten Morgen hieß es dann, am Brett die Lehren aus zwei Jahren Theaterunterricht in der Oberstufe anzuwenden, damit mein Kontrahent den Braten auch ja nicht riechen würde und womöglich von seiner favorisierten Ben-Oni Verteidigung abweicht. Die Falle schnappte zu! (s. Diagramm links). An dieser Stelle hatte ich sämtliche Verteidigungen von Schwarz vorbereitet: Sc6, Db4, h6 und Ld8. Letztere wandte mein Gegenüber an, griff in der Folge nach Lb2 jedoch fehl. Statt die Dame nach a5 zu ziehen, erlaubte er mir das Tempo a3 nach seinem Db4. Dies mag unscheinbar aussehen, bedeutet aber langfristige Passivität der Dame und damit ungehemmte Initiative am Königsflügel für mich. (s. mittleres Diagramm nach 21.Tc4). Der Turm schwenkt zum Königsflügel und beschützt gleichzeitig den a3 Bauern taktisch (Dxa3 wird mit Ta2 beantwortet). An dieser Stelle war ich mir des Sieges schon recht sicher, da die schwarze Stellung einfach zu unterentwickelt ist. In der Folge gewann ich eine Qualität und behielt, wenn auch nicht in souveränster Weise, die Initiative. Nach beidseitiger Zeitnot erreichten wir die zum Matt führende Endstellung (s. Diagramm rechts nach 37. Dg7+). Die Freude meinerseits war immens. Nicht nur war es eine tolle Sache, einen derartig starken Spieler zu schlagen, sondern ich egalisierte jeden DWZ-Verlust auf einen Schlag.

Chris bekam es ausnahmsweise mit einem schwächeren Gegner zutun und gewann ein sehr interessantes und lehrreiches Springerendspiel, das definitiv im Verein vorgetragen werden muss!

Am Abschlusstag stand die Welt dann plötzlich Kopf: Ich spielte an Brett 4 gegen einen IM um Preisgeld, im Schweizer Gambit macht mir keiner etwas vor! So schön die Aussichten, so ernüchternd die Realität: Nach 26 Zügen war Schicht im Schacht. Das war eine Liga zu hoch für mich. Chris hatte ein vergleichbar ernüchterndes Erlebnis: sein Berliner(!) Gegner entschied sich, das Turnier vorzeitig zu beenden und erschien nicht.

Überzeugend gewinnen konnte GM Vladimir Dobrov das Turnier mit 8/9.

Rückblickend ein erfolgreiches Turnier für Chris, der nach 2 Jahren schachlicher Abstinenz nun in zwei Turnieren in Folge eine konstant gute Leistung um die 2030 erbringen konnte und keinerlei Mühe hatte, mit Gegnern bis 2200 mitzuhalten. Für mich war insbesondere dieses Turnier eine Achterbahn der Gefühle. Dennoch bin ich sehr stolz, nach zwei derartigen Nackenschlägen wieder aufgestanden zu sein und mich gefangen zu haben. Ansonsten lässt sich wenig aus einem Turnier ziehen, in dem mir kein Gegner zwischen 1950 und 2240 gegenüber saß.

Einen Ehrenplatz am Ende dieses Berichts möchten wir unserem Mentaltrainer Torsten Bahr beimessen, der uns unter der Woche immer wieder aufmunternde, motivierende und anstachelnde Worte hat zukommen lassen!

Nun ist der „Schachsommer“ erst mal vorüber, die Konzentration gilt von nun an der Landesliga!